Die Darmflora

Die intestinale Mikrobiota / Teil 1

Aufgaben und Einfluss bei Krankheitsentstehung
Der menschliche Körper ist außen und im Inneren mit vielen unterschiedlichen Mikroorganismen, der Mikrobiota, besiedelt. Der Begriff Darmflora (Mikrobiom des Darms) bezeichnet alle Mikroorganismen, die den menschlichen Darm besiedeln.

Was ist die Darmflora?
Die Darmflora ist die Gesamtheit aller Darmbakterien, die Teile des menschlichen Dickdarms besiedeln (in geringer Menge auch den Enddarm). Der Begriff Darmflora geht auf die frühere Annahme zurück, dass diese Ansammlung von Mikroorganismen zum Pflanzenreich gehört (Flora = Pflanzenwelt). Da aber die Bakterien in ein eigenständiges Reich (Protista) gehören, ist der Begriff Darmbakterien, intestinales Mikrobiom, Darm-Mikrobiom oder intestinale Mikrobiota die bessere Bezeichnung.

Entwicklung der Darmflora
Die Besiedlung des Darms beginnt bereits im Mutterleib. Gegen Ende des ersten Lebensjahres ist der Darm vollständig mit Mikroorganismen besiedelt. Im dritten Lebensjahr erreicht die Zusammensetzung der Mikrobiota ungefähr die Stabilität wie bei Erwachsenen. Bei gesunden Menschen bleibt sie dann zu 60 bis 70% konstant.
Durch Ernährungsumstellung, infolge von Infektionen, Antibiotika-Behandlungen oder körperlicher Anstrengung, können sich die restlichen 30 bis 40% mehr oder weniger stark, und auch relativ rasch (innerhalb von ein bis zwei Tagen) verändern.

Die Mikrobiota erfüllt verschiedene Aufgaben:

Nahrungsverdauung:
Die Darmbakterien unterstützen die Verdauung. Sie produzieren aus unverdaulichen Ballaststoffen, die mit der Nahrung aufgenommen werden, kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat, Acetat und Propionat. Diese decken einen Großteil des Energiebedarfs der Dickdarmschleimhaut. Außerdem fördern die kurzkettigen Fettsäuren die Darmmuskulatur und spielen eine wichtige Rolle für die Beweglichkeit des Darms (Darmmotilität).

Vitaminproduktion:
Die Darmbakterien produzieren verschiedene Vitamine, die der Körper für sich nutzen kann (auch wenn im Dickdarm nur ein geringer Teil davon resorbiert werden kann). Es zählen dazu Biotin, Folsäure, Riboflavin sowie Vitamin B12 und Vitamin K.

Neutralisieren von Giftstoffen:
Einige Darmbakterien können giftige (toxische) Substanzen neutralisieren, so zum Beispiel Nitrosamine und polyzyklische aromatische Wasserstoffe. Viele dieser Verbindungen gelten als krebserregend.

Aktivieren von Arzneistoffen:
Manche Medikamente werden erst im Zuge der Verstoffwechslung durch das intestinale Mikrobiom in ihre aktive (wirksame) Form überführt. Das gilt etwa für Antibiotika aus der Gruppe der Sulfonamide sowie für den entzündungshemmenden Wirkstoff Sulfsalazin.

Immunabwehr:
Das Darm-Mikrobiom ist sehr wichtig für die Immunabwehr. Die Darmschleimhaut hat eine Oberfläche von 300 bis 500 Quadratmetern und stellt damit die größte Grenzfläche des Körpers dar. Die hier siedelnden "guten" Darmbakterien verhindern, dass sich krankmachende Keime ausbreiten und Darminfektionen auslösen können. Außerdem trainieren die Darmbakterien über spezielle Signalstrukturen den im Darm lokalisierten Teil des Immunsystems (darmassoziiertes Immunsystem). Ein gesundes Darm-Mikrobiom regt die Lymphozyten im Darm an, bestimmte Botenstoffe freizusetzen, die der Abwehr von krankmachenden Keimen dienen.

Barrierefunktion:
Die Zusammensetzung der Darmbakterien hat einen direkten Einfluss auf die Barrierefunktion der Darmschleimhaut: Ist die Darmflora richtig zusammengesetzt, stimulieren die Mikroorganismen die Erneuerung der Schleimhaut und stärken die Faktoren, die wesentlich sind für eine stabile Barriere zwischen Innen und Außen. Überwiegen "schlechte" Bakterien in der Darmflora, wird die Schleimhaut "löchrig" Nahrungsmittelbestandteile oder Krankheitserreger, die normalerweise nicht durch die Schleimhaut in den Organismus übertreten, haben dann freie Bahn. Das Immunsystem wird aktiv und bekämpft diese Eindringlinge: Entzündungsprozesse laufen ab.

Schutzfunktion:
Die "guten" Bakterien des Mikrobioms konkurrieren im Darm mit "schlechten" Keimen. Ist die Darmwand von Bakterien der physiologischen Darmflora besiedelt ist, können sich Krankheitserreger nur schwer an die Darmwand heften. So kann die Darmflora verhindern, dass sich Krankheitserreger, die z.B. Durchfall auslösen im Darm vermehren.

Antikörper:
Das Darm-Mikrobiom kann die Bildung von Antikörpern hemmen oder anregen. Allergische Reaktionen etwa beruhen auf einer zu starken Bildung von Antikörpern gegen einen "Feind", der eigentlich keiner ist (z.B. Pollen, Tierhaare).

Im Teil 2 (Mai-Newsletter) informieren wir Sie über die Erkrankungen der Darmflora!

Literatur:
Ziegler AG et al. (2019) Darmbakterien: Einfluss auf Typ-1-Diabetes. Diabetes Forum. 31 (1/2), S. 16-18
Bruhn C (2023). Wohngemeinschaft Darm. Deutsche Apothekerzeitung. 163. Jahrgang. Nr. 6
Hubert M (2018) Antibiotika verändern langfristig das Mikrobiom. CME 15, 38
Mohr AE et al. (2020). The athletic gut microbiota. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 17(1), 24.

www.netdoktor.at/anatomie/darmflora
www.meinmed.at/gesundheit/darmflora/1726