Die Wichtigkeit des menschlichen Darm-Mikrobioms – Krankheitsentstehung

Das Darm-Mikrobiom spielt eine wesentliche Rolle bei der Verdauung von Nährstoffen, metabolischen Prozessen sowie der Immunantwort und kann die Gesundheit des Wirtes beeinflussen. Das menschliche Darm-Mikrobiom besitzt eine gewaltige metabolische Kapazität mit über 1000 unterschiedlichen Bakterienarten und mehr als 3 Millionen differenten Erbfaktoren. Die Vielfalt des Mikrobioms wird von unterschiedlichen internen und externen Faktoren beeinflusst. Dazu zählen u. a. die Art der Entbindung, das Alter, die Einnahme von Antibiotika, eine übertriebene Hygiene, Stress und die Ernährung. Außerdem zeigt sich die Darmflora von Personen mit inflammatorischen Erkrankungsbildern (z.B. Diabetes mellitus oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen) weniger divers als bei Gesunden.

Die Mikrobiota wird für die Wissenschaft immer wichtiger. Fast täglich erscheinen neue Studien: Man nimmt an, dass das Mikrobiom durch den großen Einfluss auf das Immunsystem bei einer Fehlbesiedlung mit "schlechten" Mikroorganismen Anteil an der Entstehung von Krankheiten nimmt. Darunter fallen vor allem chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Aber auch andere immunologisch vermittelte chronische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus, Vitiligo, Allergien oder Asthma bronchiale. Auch für die Entstehung von Tumoren, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Autismus, Depressionen, Angststörungen und Adipositas wird die Zusammensetzung der Darmflora mittlerweile als möglicher Mitauslöser diskutiert. Man konnte bereits nachweisen, dass sich die Darmbakterien von fettleibigen und von normalgewichtigen Menschen stark unterscheiden.

Bis sich solche Forschungsergebnisse in der Behandlung von Patienten niederschlagen und neue Therapien entstehen, werden noch viele Jahre vergehen. Lediglich bei der Behandlung schwerer Clostridien-Infektionen (bakteriell bedingte Darmentzündung mit schweren Durchfällen) geht die Behandlung schon in die neue Richtung, Einfluss auf das Mikrobiom zu nehmen, um Patienten besser helfen zu können: Durch den sogenannten Stuhltransfer – gereinigter, aufbereiteter Spenderstuhl von Gesunden – wird eine gesunde Darmflora in den kranken Darm der Patienten per Klistier oder Nasensonde transferiert. Nach 3 bis 4 Tagen sind die Patienten dadurch frei von Bauchschmerzen und Durchfällen.

Beispiele aus der Forschung

Diabetes mellitus Typ 1 und Mikrobiota

Verschiedene Verlaufsbeobachtungsstudien (BABYDIAB-, BABYDIET- und die TEDDY-Studie) liefern wertvolle Hinweise zur Entstehung des Typ-1-Diabetes. Seit fast 20 Jahren werten internationale Wissenschaftler Daten zum Stoffwechsel von Kleinkindern mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko für Typ-1-Diabetes aus.

Dazu zählt die Untersuchung von Stuhlproben. Diese geben Aufschluss über die Zusammensetzung der Darmflora und das funktionale Zusammenspiel der Darmbakterien bei Kindern mit und ohne späteren Typ-1-Diabetes.

Drei wesentliche Befunde ergeben sich aus den Forschungsergebnissen der genannten Studien:

  1. Das Mikrobiom wächst und gedeiht mit unseren kleinen Kindern und verändert sich besonders in den ersten Lebensmonaten und -jahren.
  2. Das Mikrobiom ist bei Menschen, die an einem Typ-1-Diabetes erkranken, NICHT grundlegend anders als bei Gesunden. Lediglich geringfügige Veränderungen wurden gefunden: Die Interaktion der Darmbakterien unterscheidet sich bei Kindern, die später eine Autoimmunität und einen Typ-1-Diabetes entwickeln, von denen, die nicht erkranken. Außerdem scheint die Zahl einiger Bakterienarten bei ihnen gegenüber gesunden Kontrollpersonen erhöht, die Zahl anderer dagegen reduziert zu sein. Dies trifft zum Beispiel auf Bakterien zu, die kurzkettige Fettsäuren produzieren und entzündungshemmend wirken.
  3. Die Ernährung und einige andere Umwelteinflüsse haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie sich das Mikrobiom zusammensetzt.

Diabetes mellitus Typ 2 und Mikrobiota

Verschiedene Untersuchungen haben Unterschiede in der Zusammensetzung der Mikrobiota bei Patienten mit Typ 2 Diabetes und Gesunden gezeigt. Noch ist nicht geklärt, ob diese Unterschiede die Ursache oder aber eine Folge der Erkrankung sind. Es wird vermutet, dass es einen Zusammenhang in beiden Richtungen gibt zwischen Diabetes und Mikrobiota: Die Erkrankung verändert die Zusammensetzung der Darmbakterien, dies wiederum hat Auswirkungen auf die Pathophysiologie des Diabetes. In Tiermodellen konnte nachgewiesen werden, dass fast alle oralen Antidiabetika die Zusammensetzung der Mikrobiota beeinflussen.

Alzheimer-Krankheit und Mikrobiota

Manche Bakterien im Darm können Neurotransmitter herstellen, aber auch Verbindungen, die die Darmbarriere und die Blut-Hirn-Schranke durchlässig machen und überwinden können. Aus diesen Erkenntnissen wurde die Hypothese entwickelt, dass eine Störung des gesunden Gleichgewichts der Darmbakterien bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, aber auch psychiatrischen Erkrankungen involviert sein könnten. Umgekehrt beeinträchtigen neurodegenerative Erkrankungen häufig die Darmfunktion, woraus sich ein negativer Kreislauf entwickeln kann.

Wie kann man eine gesunde Mikrobiota fördern?

Ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung, ausreichend Entspannung und einer ausgewogenen Ernährung stärkt die gesunde Zusammensetzung der Darmflora.

Was schadet der Mikrobiota?

Stress, ballaststoffarme Ernährung, viel tierisches Eiweiß und Fett, zu viel Zucker, Medikamente (vor allem Antibiotika), Alkohol und Nikotin

Stichwort Probiotika

Mit Probiotika nehmen viele Menschen gezielt „gute“ Bakterien für den Darm (wie Milchsäurebakterien) ein, um ihre Darmflora zu stärken, etwa bei Durchfall und bei Behandlung mit Antibiotika. In genügend hoher Menge zugeführt, können Probiotika tatsächlich Durchfallerkrankungen durch Rotaviren vorbeugen sowie bei Durchfall helfen, der durch Strahlentherapie oder Antibiotika verursacht wird.

Die als Probiotika zugeführten Bakterien siedeln sich aber nur bei regelmäßiger Einnahme in der Darmflora an. Wird die Einnahme beendet, verschwinden sie wieder, und es stellt sich mit der Zeit wieder die „alte“ Darmflora ein.

Literatur:
Ziegler AG et al. (2019) Darmbakterien: Einfluss auf Typ-1-Diabetes. Diabetes Forum. 31 (1/2), S. 16-18
Bruhn C (2023). Wohngemeinschaft Darm. Deutsche Apothekerzeitung. 163. Jahrgang. Nr. 6
Hubert M (2018) Antibiotika verändern langfristig das Mikrobiom. CME 15, 38
Mohr AE et al. (2020). The athletic gut microbiota. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 17(1), 24.

Weitere Quellen:
www.netdoktor.at/anatomie/darmflora
www.meinmed.at/gesundheit/darmflora/1726