Resilienz: Die Kunst des Aufstehens – Krone richten – weitergehen

Psychische Gesundheit wird von der Weltgesundheitsorganisation als ein Zustand des Wohlbefindens verstanden, in dem der/die Einzelne sich seiner/ihrer eigenen Fähigkeiten klar ist und diese auch verwirklichen kann. Wir können mit den Belastungen des Lebens umgehen. Die psychische Gesundheit, das psychische Wohlbefinden und eine positive Lebensqualität hängen eng mit der Resilienz zusammen.

Manche Menschen scheinen in Krisen und in belastenden Krankheitsphasen über unsichtbare Kräfte zu verfügen. Das Geheimnis dieser Widerstandsfähigen ist die Resilienz. Darunter versteht man die psychische Widerstandskraft oder auch seelische Robustheit, die jemandem dabei hilft, mit Herausforderungen, Belastungen im Leben, Stress und Krisen positiv umzugehen, diese zu bewältigen, sich davon zu erholen, dabei psychisch gesund zu bleiben und gestärkt daraus hervorzugehen.

Welche Resilienzfaktoren haben Personen wie z.B. Nelson Mandela, Pippi Langstrumpf, Michelle Obama?

Der Begriff Resilienz kommt aus der Metalllehre und bedeutet das ein Stoff nach Ausdehnung in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt - wie z. B eine Metallfeder nach Belastung oder ein zusammengedrückter Schwamm.
Boris Cyrulnik, ein französischer Neurologe und Psychiater, verwendet zur Beschreibung von Resilienz eine Metapher aus bäuerlichem Umfeld: Ein resilienter Acker wird nach einer Naturkatastrophe wie z.B. Überschwemmung nie mehr wieder dieser Boden von damals sein, jedoch entsteht dort eine neue Fauna und Flora.

Die amerikanische Psychologin Emmy Werner prägte diesen Begriff der Resilienz in den 1950er Jahren auf der hawaiianischen Insel Kauai. Damals untersuchte sie 686 Kinder über eine Zeitspanne von 40 Jahren – von Kindheitstagen bis ins Erwachsenenalter. Ergebnisse dieser Langzeitstudie zeigten, dass vernachlässigte Kinder als Erwachsene nicht automatisch scheitern. Sogar ein Drittel der Risikokinder führten bei schlechten Lebensstartbedingungen ein gutes und erfülltes Leben. Hierbei wurden erstmals Resilienzfaktoren untersucht und beschrieben. Resilienz entwickelt sich aus Herausforderungen, negativen Erlebnissen und Krisen, die bewältigt, gelöst und gemeistert wurden.

Denke an eine resiliente Person, wer ist Sie, welche Resilienzfaktoren hat diese Person?

35 bis 65 % der Menschen sind resilient. Diese Menschen besitzen die Fähigkeit Lösungen für Probleme und Herausforderungen aktiv zu finden, sind selbstwirksam und tragen einen Optimismus und Zuversicht in sich. Auch in schwierigen und belastenden Zeiten positives zu sehen und nicht am Negativem festhalten. Sie haben Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten um Herausforderungen, Stress und Druck bewältigen und dabei produktiv bleiben zu können. Menschen, die ihr Lebens als sinnvoll erachten und erlebt haben, dass sich etwas ändert, wenn man handelt, zeigen Widerstandsfähigkeit. „Jetzt ist es schwer, aber es wird besser- ich kann es gestalten.“
Zudem helfen stabile soziale Faktoren wie Unterstützung und ein füreinander Dasein im Freundeskreis, ein sicheres und vertrautes familiäres Umfeld, ein realistisches Selbstbild und ein stabiler Selbstwert. Ich darf mir Hilfe und Unterstützung holen und für angebotene und angenommene Unterstützung dankbar sein.

Resilienz zu stärken bedeutet einerseits Stress und Belastungen zu minimieren, individuelle Ressourcen zu erhöhen und dabei mit sich selbst fürsorglich um zu gehen.

Menschen mit Diabetes befinden sich in unterschiedlichen Lebenswelten und Lebensrollen. Sie haben ihre Rolle in der Familie, in der Arbeit, im Freundeskreis. Der Diabetes mit seinen täglichen Aufgaben, Herausforderungen und auch die eine oder andere Belastung - eingebettet in der Familie, in der Schule, im Job und in der Freizeit.

Kann ich die Einflüsse und Anforderungen meiner Lebenssituation mit der Erkrankung verstehen? Was habe ich bisher erfolgreich bewältigt? Was habe ich bisher für mich, meine Familie, meinen Job, meine Erkrankung geschafft? Wer glaubt an mich und warum? Welche positiven Rückmeldungen habe ich bisher erhalten?
Habe ich Ressourcen die Anforderungen zu bewältigen um mit meiner Erkrankung und Belastungen umgehen zu können?
Macht die eigene Leistung und mein Handeln bezogen auf meine Lebenswerte Sinn und empfinde ich meinen Beitrag als bedeutsam?

Diabetes Distress bezeichnet eine erhöhte emotionale und psychische Belastung aufgrund diabetesspezifischer Faktoren wie z.B. ein Überforderungserleben durch das tägliche Diabetesmanagement, Sorgen um Blutzuckerwerte und Frustration bei unerklärbaren Schwankungen, und ein damit einhergehender erlebter Kontrollverlust, eine suboptimale Diabetestherapie und die Konfrontation mit dem Risiko von Akutkomplikationen wie Unterzuckerung oder Hyperglykämie, sich schuldig und schambesetzt fühlen beim Vernachlässigen der Diabetestherapie, Sorgen um die gesundheitliche Zukunft und Angst vor Folgeerkrankungen. Wenn Ressourcen erschöpft sind und keine wirkungsvollen Bewältigungsstrategien zur Verfügung stehen- spricht man von Diabetes Distress. Jede/r vierte Typ 1 Diabetiker/in und jeder fünfte Typ 2 Diabetiker/in ist davon betroffen.

Resiliente Menschen haben die Fähigkeit nach psychischen Belastungen wieder ins Gleichgewicht zu kommen, ihre Gefühle regulieren und ihren Ausgangszustand wieder zu erlangen. Sie können die Herausforderungen im Leben und aufgrund des Diabetes bewältigen.

Fragen zu Diabetes Distress und diabetesspezifische psychosoziale Belastungen werden vom Behandlungsteam wenig gestellt.
Fühlen Sie sich überwältigt durch die Anforderungen des Lebens mit Diabetes?
Haben Sie das Gefühl, das Se oft mit ihrer Diabetestherapie scheitern?

Bei 83% der Menschen mit Diabetes wurde innerhalb des vergangenen Jahres der HbA1c-Wert gemessen, aber nur jede/r Dritte wurde nach psychosozialen Problemen, emotionalem Wohlbefinden oder Depressionen gefragt.
Viele Menschen sprechen von sich aus emotionale Belastungen nicht an, weil Schamgefühle, Angst vor Ausgrenzung vorliegen und sie nicht gerne zugeben, dass…

Es wird bei jedem Diabeteskontrolltermin empfohlen psychosoziale Belastungen als Behandler/in anzusprechen. Eine gute Kommunikationsbasis mit Offenheit, Verständnis, Zeit und Vertrauen macht es möglich diese persönlichen Themen zu erfahren.

Entlastungsgespräche, klinisch-psychologische Behandlung und Psychotherapie zur Erarbeitung von Bewältigungsstrategien und die Stärkung der Ressourcen kann hilfreich sein um die Resilienz bei Menschen mit Diabetes zu fördern.
Adressen von Klinischen Psychologen/innen und Psychotherapeut/innen finden Sie unter Berufsverband der Österreichischen Psychologen/innen, Referat Diabetes
https://www.boep.or.at/berufsverband/fachsektionen/klinische-psychologie/ag-psychodiabetologie

Referenz:
Mag.a Dr.in Birgit M. Harb
Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie), Fachpsychologin Diabetes (DDG), Gründerin der Arbeitsgruppe Psychodiabetologie (BÖP), Mitglied des ÖDG Ausschuss -psychosoziale Aspekte bei Diabetes mellitus, Vorstandsmitglied des Vereins Diabär